Auf den ersten Blick scheint »Brügge« ein Brettspiel in eigentlichen Sinne des Wortes zu sein, denn es kommt mit einem wunderschön illustrierten Spielbrett und einer Menge Spielmaterial daher. Doch schon bald wird klar, dass es sich eigentlich eher um ein Kartenspiel handelt. Der Spielplan dient nur als Zählleiste für den Einfluss im Rathaus und Siegpunkte, sowie zur Ablage von Würfeln und Kanalplättchen.
Im Spielverlauf dreht sich dann (fast) alles nur um die Karten: wir ziehen Karten nach und spielen welche davon aus, um damit Aktionen durchzuführen. Dabei werden teilweise weitere Karten offen vor uns als Häuser (Rückseite) oder Personen (Vorderseite) ausgelegt.
Letztlich sind es diese ausgelegten Karten, die während der Spiels für Varianz und bei Spielende für Siegpunkte sorgen. Das ganze wird optisch dadurch unterstützt, dass alle Karten sehr aufwändig und individuell illustriert sind, eine Mammutaufgabe für Michael Menzel.
Trotz der starken Kartenorientierung ist »Brügge« kein einfaches Kartenspiel. Die Menge an möglichen Aktionen und die hohe Zahl verschiedener Karten sorgt für ein komplexes Regelwerk. 12 dicht beschriebene DIN A4-Seiten plus ein Beiblatt sind recht viel, sie führen zu einer gefühlt sehr hohen Einstiegshürde und vor allem in den ersten Partien einer Spieldauer von teilweise über 2 Stunden.
Erst mit etwas Erfahrung sinkt die Spieldauer deutlich, wobei wir noch nie eine 4er-Partie in der angegebenen Stunde geschafft haben.
Leider hat »Brügge« einige Schwächen, die uns den Spielspaß etwas genommen haben. Zum einen scheint die Option des Kanalsbaus ungleich weniger attraktiv als alle anderen Möglichkeiten. Alle mir bekannten Spieler, die einige Partien hinter sich haben, nutzen den Kanalbau ausschließlich als Notnagel, als letzte Aktion der Runde, wenn sie sonst nichts mehr tun können. Diese Option wäre somit gar nicht notwendig gewesen.
Außerdem ist die Karte „Graveur“ zu stark geraten. Wer sie früh in einer Partie auslegen kann, hat eine sehr gute Chance, das Spiel zu gewinnen. Was vor allem deshalb sehr störend ist, weil die Mitspieler dies ebenfalls wissen und innerlich schon abschalten können. Dieses Ungleichgewicht wird angeblich in der Erweiterung »Brügge – Die Stadt am Zwin« mit einer Austauschkarte korrigiert.
Insgesamt ist
»Brügge« ein optisch sehr gelungenes Spiel mit einem schönen Kartenmechanismus, welches für einge Partien recht reizvoll ist. Gerade nach 1-2 Partien, wenn die Spielzeit deutlich gesunken ist, trägt es auch über die Spieldauer von gut einer Stunde. Bleibt zu hoffen, dass mit der Erweiterung die Balance erreicht wird.
2–4 Spieler, Spieldauer 60 Minuten (unsere Erfahrung: 60-120 Minuten).
Fazit: Optisches Highlight mit hoher Einstiegshürde – gutes mittellanges Spiel.
Stefan Malz, 30. Mai 2014 (#161) |
|
|