Je mehr ich mich mit Spielen befasse, umso mehr merke ich, dass für mich vor allem zwei Dinge wichtig sind, damit mich ein Spiel packt: Optik und Thema. In dieser Reihenfolge! Zuerst einmal muss ein Spiel optisch eine Augenweide sein und vernünftiges Material haben.
Allein schon dadurch konnte sich »Tapestry« meiner Aufmerksamkeit sicher sein. Und ein „seichter“ Zivilisationsaufbau gefällt mir auch.
Also einfach mal auf Verdacht die deutsche Version vorbestellt und die Vorfreude hochgeschraubt. Das, was dann in einem nicht ganz leichten Karton ankam, ist wirklich wunderschön. Zum einem liebe ich alles, was Andrew Boslew illustriert (auch unser »Tungaru« und »Everdell«), zum anderen gab es viele kleine Details, die das Spiel für mich besonders machen.
Da wäre zum Beispiel der Spielplan mit abgerundeten Ecken. Sieht toll aus und hat den Vorteil, dass sich der Plan kinderleicht aus der Schachtel entnehmen lässt. Dazu eine tolles Inlay für fast alles Spielmaterial, robuste Spielkarten, dicke Plättchen und 18 mehrfarbige 3D-Gebäude.
Die Spielregel ist mit sechs Seiten kurz und erklärt den Spielablauf recht gut, ein Übersichtsblatt erklärt grob alle Symbole (und davon gibt es viele). Leider mussten wir schnell feststellen, dass die Spielregel im Detail unglaublich löcherig ist. Die vielen Elemente (Zivilisationen, Technikkarten, Gobelinkarten, Belohnungen, Boni) ergeben zahlreiche Kombinationen, die gar nicht oder nur unzureichend erläutert sind. Selbst das Internet hilft heute (2 Jahre nach Erscheinen) in einigen Fällen nicht weiter. Schade.
Besser gelöst ist das Problem, dass sich die enthaltenen Zivilisationen als sehr unterschiedlich stark herausgestellt haben. Schon frühzeitig wurde auf der Website des Autors eine Anpassungsliste herausgegeben, mit der viele der Zivilisationen stärker oder schwächer gemacht wurde. Inzwischen liegt die dritte oder vierte Fassung vor, die auch schon die neuen 10 Zivilisationen der Erweiterung »Pläne und Gegenpläne« beinhaltet. Vorbildlich!
Insgesamt hat uns dieses Spiel komplett in seinen Bann gezogen. Das Grundspiel wurde weit über einhundert Mal gespielt, anschließend rund fünfzig Mal mit den Zivilisationen der Erweiterung, und nun weitere vierzig Mal mit allen Zivilisationen. Noch ist keine Ermüdung zu erkennen.
Ein Punkt, der allerdings von Anfang sehr negativ auffiel, sind die 3D-Gebäude. Ja, ich weiß, viele lieben solches 3D-Gedöns und kaufen Spiele alleine deshalb. Doch in diesem Fall finde ich, dass die 3D-Gebäude mehr stören als helfen:
Zum einen sind die „Grundplatten“ der Gebäude, die eigentlich eine klar definierte Anzahl an Rasterfeldern des Hauptstadtplans abdecken sollten, so klein und unförmig geraten, dass nur schwer zu erkennen ist, welche Felder genau abgedeckt werden.
Zum anderen sind die 3D-Gebäude so hoch und wuchtig, dass man meist nicht mehr erkennen kann, wo in den Hauptstädten der Mitspieler noch Lücken sind und welche Form diese haben. Das ist aber für das Spiel teilweise sehr wichtig!
Einfache Pappplätchen mit aufgedruckten Gebäuden
oder, wenn es denn unbedingt 3D-Gebäude sein müssen, flachere Gebilde mit klar definierter und für alle sichtbarer Grundfläche hätten dem Spiel sehr gut getan.
Ein zweiter Kritikpunkt, den wir oftmals hören, ist, dass das Spiel für seine Spieldauer und für seinen Anspruch einen viel zu hohen Glücksanteil hat. Grundsätzlich stimmt es, dass es sehr viele Glückselemente gibt. Die zufällige Startaufstellung als Kombination aus Zivilisation, Hauptstadtplan und Gobelinkarte beeinflusst das Spiel bereits sehr stark. Außerdem wird im Spiel häufig gewürfelt und es werden oft Karten und Plättchen zufällig gezogen.
Man kann also wahnsinniges Glück oder übles Pech haben. Trotzdem ein wirklich tolles Spiel, das wir in den nächsten Wochen bestimmt noch einige Dutzend Mal spielen werden! Zumal die Spieldauer bei uns zu zweit mittlerweile bei knapp einer Stunde liegt und drei oder vier Partien hintereinander keine Seltenheit sind …
2–5 Spieler, Spieldauer 90–120 Minuten.
Fazit: Spielerisch und optisch genial, schön anspruchsvoll. Die 3D-Gebäude nerven.
Stefan Malz, 26. Juli 2021 (#177) |
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