Meinung: Mombasa


Gott sei dank! Endlich sind die Jungs von eggertspiele mal wieder dazu gekommen, ein etwas komplexeres Spiel zu veröffentlichen. Während »Village« (mit zwei Erweiterungen), »Yedo« und unser »Rokoko« (mit einer Erweiterung) schon ganz anständig waren, wird es hier so richtig schön anspruchsvoll.

Ich muss gestehen, die erste Partie am Verlagsstand in Essen war echt heftig und im Ergebnis eher ernüchternd, weit abgeschlagen hinter den anderen Mitspielern. Aber trotzdem war bereits der erste Eindruck sehr gut. Mit überschaubarem Spielmaterial und somit vertretbaren Aufbauaufwand wird eine Spielewelt geschaffen, die das Hirn begeistert glühen lässt.

Der treibende Aspekt des Spiels sind Aktionskarten, von denen pro Runde anfangs immer drei, später auch mal vier oder fünf gespielt werden. Dabei kommt ein besonderer Kniff zum Tragen: Einmal gespielte Karten werden in mehrere offenen Kartenreihen verschoben, von denen am Ende einer Runde genau eine Reihe wieder komplett auf die Hand genommen wird. In der jeweiligen Planungsphase ist also nicht nur abzuwägen, welche drei (oder mehr) Karten man diese Runde spielen möchte, sondern auch noch, mit welchen bereits zuvor gespielten Karten sie jeweils in eine Reihe kommen sollen, um sie später gemeinsam aufzunehmen. Ein erfolgreicher Spieler muss also mindestens zwei, besser drei Runden vorausplanen.

Dazu kommt, dass viele Aktionen sehr stark von der Abfolge der einzelnen Spieleraktionen und der Gesamtmenge aller für eine Runde gewählten und ausliegenden Karten abhängt. Auch die Spielerreihenfolge wirkt sich teilweise stark aus. Das alles zu überblicken und vorherzusagen ist nicht einfach, macht aber in der passenden Runde (vor allem in einer ruhigen Umgebung und ohne Endlosgrübler) sehr viel Spaß.

Im Spiel selbst gibt es hauptsächlich vier Wege, um Siegpunkte für die Endabrechnung zu generieren:

- Anteile an Gesellschaften, die den afrikanischen Kontinent unter sich aufteilen, bringen jeweils soviel Punkte ein, wie die Gesellschaft am Ende des Spiels wert ist. Das hängt hauptsächlich davon ab, wie viele Teilbereiche der Landkarte diese Gesellschaft kontrolliert. In diesem Teilaspekt ist die Interaktion der Spieler am größten, wobei niemand eine Gesellschaft besitzt, sondern immer zum Wohl oder Wehe aller Anteilseigner handelt. Die Anteile bringen aber auch Bonusaktionen oder Vorteile ein, die unabhängig vom Erfolg der Gesellschaft sind. Da diese Bonusaktionen bzw. Vorteile den Gesellschaften beim Aufbau zufällig zugelost werden, muss bei jeder Partie mit anderen Voraussetzungen gearbeitet werden.

- Der Handel mit Diamanten bringt direkt bis zu 60 Punkte und beim Erreichen einer fixen Entwicklungstufe das Recht, pro Runde eine Aktionskarte mehr zu spielen. Hier ist nur ein geringer Anteil an Interaktion vorhanden, meist behaken sich dort maximal zwei Spieler, vor allem hinsichtlich des Erwerbs weiterer Diamantenhändler.

- Die Aktion des Buchhalters, mit dem quasi „Aufträge“ im Form von Büchern erfüllt werden, bringt ebenfalls direkt bis zu 60 Punkte und beim Erreichen einer fixen Entwicklungstufe das Recht, pro Runde eine Aktionskarte mehr zu spielen. Interaktion ist hier kaum vorhanden, man puzzelt eher für sich selbst und versucht, auf einen Schlag möglichst viele Aufträge auf einmal zu erfüllen, indem man optimal zueinander passende Bücher erwirbt und diese zum optimalen Zeitpunkt abarbeitet.

- Schließlich wird Geld am Ende direkt als jeweils ein Siegpunkt gewertet.

Über Sonderaktionen und Boni gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten, diese vier Wege zu unterstützen und neue Kombinationen auszuprobieren. Außerdem gibt es eine Vielzahl zusätzlicher Aktionskarten zu erwerben, die ebenfalls die eigene Strategie unterstützen können. Vor allem im Bereich der Gesellschaften ist es dabei unablässig, die Mitspieler im Auge zu haben, um rechtzeitig gegensteuern zu können, wenn einzelne Spieler bei einer oder gar zwei Gesellschaften alleinig zu stark zu werden drohen.

Die Spielregeln sind sehr gut aufgebaut und lassen eigentlich keine Fragen offen. Dennoch war ich froh, das Spiel auf der Messe erklärt bekommen zu haben, wenn auch mit kleinen Fehlern. So war nach dem ersten Spiel kaum noch ein Blick in die Regel notwendig. Die Grafik ist nicht allzu spektakulär, passt aber hervorragend zum Thema und ist vor allem hinsichtlich der Symbolik sehr gelungen, die das Spiel sehr gut unterstützt.

Für mich ist »Mombasa« das absolute Highlight des Spielejahrgangs 2015! Der einzige Kritikpunkt ist, dass das Spiel zu zweit nicht wirklich gut funktioniert, weil der tolle Verdrängungsmechanismus der Gesellschaften in Afrika kaum wirksam wird und dadurch die Interaktion stark abnimmt. Zu dritt und vor allem zu viert aber ein wirklich geniales Spiel!

2–4 Spieler, Spieldauer 75-150 Minuten (unsere Erfahrung: 90-180 Minuten).

Fazit: Ein herrlich komplexes Spiel, knapp unter meiner Überforderungsgrenze. Sehr gelungen!

Stefan Malz, 27. August 2016 (#166)
 

Autor:
Alexander Pfister

Illustration:
Klemens Franz &
Andreas Resch

Verlag:
eggertspiele

Erscheinungsjahr:
2015